Anja Ganster
Answer Song (Konstellation 8)
Doppelausstellung:
Gemälde und Aquarelle bei Hilfiker Kunstprojekte, 19.4. – 26.5.2018
Druckgrafiken bei Gabriela W., 19.4. – 30.6.2018
Ein Answer Song ist ein Begriff, der eine Kommunikationsform beschreibt, die häufig zwischen indigenen Gruppen benutzt wird – Völkern, die keine geschriebene Sprache besitzen. Mittels Lieder werden Geschichten beziehungsweise die Geschichte der Gruppe weitergegeben und bewahrt. Der Begriff wird auch in der Musikwelt benutzt: Answer Songs sind Kompositionen als Reaktion auf Musikstücken einer anderen Musikerin oder eines anderen Musikers.
In der Ausstellung bei Hilfiker Kunstprojekte zeigt Anja Ganster aktuelle Gemälde und Papierarbeiten aus den letzten zwei Jahren. Sie greift Motive aus früheren Bildern auf und entwickelt sie weiter. Wie auch in früheren «Konstellationen» – zuletzt in ihrer Ausstellung «Gezeitenreibung» (Konstellation 6) im Museum Franz Gertsch in Burgdorf – setzt sie unterschiedliche Bildwelten, Themen und Medien in Beziehung zueinander, die trotz des fehlenden Zusammenhangs erzählerisch wirken, aber für jeden Betrachter eine andere Geschichte bereithalten.
So gibt es eine Gruppe von Papierarbeiten, die ausgehend von einem Buch („The Maori as he was“) aufgeklappte Buchseiten oder die Front des Buches zeigt. Bevor sie die Objekte malt collagiert die Künstlerin Bilder hinein, als hätte sie jemand vor langer Zeit zur Aufbewahrung in das Buch gelegt. Ganster verschränkt verschiedene Bildwelten und Inhaltsebenen und beginnt ihre eigenen «Answer Songs» – Antworten auf ihren Prozess, Antworten auf ihre Assoziationen, usw. und schafft darüberhinaus den Betrachtern die Möglichkeit weitere „Songs“ in den Bildern zu erinnern, spüren oder Geschichten zu assoziieren. Es ist zwar die Darstellung einer (vermeintlich) realen Situation, aber zugleich nicht klar, inwieweit diese Bilder in Zusammenhang stehen.
Dann gibt es das Motiv des Wunders oder Rätselns... und des Schauens. Eine Gruppe von Menschen (Kinder und Erwachsene) blicken in den Himmel. Gruppen von Menschen schauen in das weisse Blatt. Diese Abwesenheit provoziert «Answer songs». Der Mensch will einen Sinn herstellen. Die Frage ist: Inwieweit sind während des Sehens die Leerstellen an der Produktion der Bilder in unserer Vorstellung grundsätzlich beteiligt?
In diesem ganzen Prozess sind seit Jahresbeginn mehrere neue Gemälde entstanden. Das grossformatige Werk „The Ark, 2018“ zeigt entgegen Gansters sonstiger Bilder wieder einmal Menschen – Kinder, die völlig Gedanken verloren unter einer aus Ästen zusammengesteckten «Hütte» spielen. Ein gefundenes Foto in einem Brockenhaus. Aus einer anderen Zeit. Das Dargestellte ist jedem vertraut: Die Gedankenverlorenheit, dieser Zustand, der so wichtig ist für ein kreatives Schaffen. Momente in denen Zeit und Ort keine Rolle spielt. Und so schlägt sie auch wieder eine Brücke zu den Maori: Die jungen Maoris kommunizieren viel im Spiel. Der „Answer song“ gehört auch dazu.
GABRIELA W.
In der druckgrafischen Serie Answer Song überträgt Anja Ganster Motive von Aquarellen und Gemälden in den Druck und umgekehrt – Kinder im Wald, Bücher, Wurzeln, zwei Figuren vor einem gigantischen Kaktus. In einem experimentellen, originalgrafischen Verfahren wurden 6 Gemälde direkt auf die Offsetplatte belichtet und dann in mehreren Farbwechseln und teils im Irisdruckverfahren gedruckt – eine Technik, mit der Ganster im Rahmen einer musealen Jahresgabe experimentiert hat. Dabei entstanden poetische Grafiken, von denen die meisten Originale sind, da die Farbgebung während des Druckvorgangs immer wieder verändert wurde. Man spürt, dass es der Künstlerin Freude gemacht hat, das Licht aus den Motiven zu kitzeln. Die Bilder leuchten, obwohl sie zu verblassen scheinen... wie ein metallischer Schimmer oder ein Nachbild unserer Erinnerung.
Am Samstag, 5. Mai 2018 von 15 bis 16 Uhr findet ein Gespräch zwischen Heinz Stahlhut (Sammlungskonservator am Kunstmuseum Luzern) und Anja Ganster bei Hilfiker Kunstprojekte an der Museggstrasse 6 statt. Anschliessend treffen wir uns zu einem Apéro in der Mini-Galerie von Gabriela W. an der Alpenstrasse1/Seite Töpferstrasse.
Aus einem Mailwechsel zwischen Dr. Heinz Stahlhut und Anja Ganster im April 2018.